Wintersonnenwende & Frau Holle

Ilka strahlt für mich eine kraftvolle (Groß-) Mütterlichkeit aus, die sie in tiefer Verbundenheit mit Mutter Erde in die Welt hinaus trägt. Ihr Sein berührt im Herzen.“ Kristina Grandits

Foto1

Ich bin Jahrgang 1967 und Mutter zweier wundervoller erwachsener Kinder. Über unterschiedliche Wege habe ich meine Berufung gefunden. Mein Schwerpunkt liegt in der schamanisch inspirierten Begleitung von Frauen* bei Entwicklungen und Prozessen in der Natur. Ich gestalte und leite jedoch auch alltagstaugliche Rituale zu besonderen Anlässen (Hochzeiten, besondere Geburtstage, Trennungen, Geburten, Übergänge, Trauerfälle), berate schamanisch inspiriert bei Lebens- und Beziehungsfragen und teile gern meine Erfahrung und mein Wissen zu Themen der Weiblichkeit, Zykluswissen, Zeitqualitäten im Jahreskreis sowie zu altem, vorchristlichem Brauchtum. Dabei distanziere ich mich ausdrücklich von völkischem Gedankengut.

Meine diversen Ausbildungen erweiterten meine Vorstellung von Ganzheitlichkeit noch um die spirituelle Komponente Anbindung, was mir ganz neue Wege für mein Wirken eröffnete, die zur Basis für mein Handeln und Begleiten wurden. 2020 trat durch Lauras Kurs „Die Magie von Kakao“ auch Mama Kakao in mein Leben. Sie wurde zu einer nährenden, erdenden, Herz öffnenden Brückenbauerin in meinem Leben und Wirken. Seitdem verbinde ich mein schamanisches Wirken auch mit der Medizin von Kakao.

Foto von Karola Pfandt

Ilka´s Lieblings-Rezept

Ich mag es am liebsten pur und erdend, so auch bei meinem Kakao. Für die Zubereitung meines Kakaos öffne ich einen Raum, in den ich neben den Himmelsrichtungen, Elementen, den ihnen zugeordneten Qualitäten, unterstützenden Wesen aus der Nicht alltäglichen Welt auch Mama Kakao einlade. 

Die Menge Kakao schneide ich intuitiv, je nachdem, was es für diesen Tag braucht (in meinen Kakaozeremonien erhält jede Person 42 g und wählt davon intuitiv ihre Menge) und gebe sie in eine schöne Tasse. Diese stelle ich in eine Schale mit heißem Wasser und warte, bis er seine schöne geschmolzene Konsistenz bekommt. In der Zwischenzeit erwärme ich Wasser auf etwa 50-55 Grad. Langsam rühre ich es unter den geschmolzenen Kakao, bis er die von mir gewünschte Konsistenz zum Trinken bekommt. Das Ganze schäume ich dann noch etwas auf, füge je eine Prise Zimt und Kardamom hinzu und fertig ist mein Kakao.

An manchen Tagen, wenn ich ganz besonders viel Wärme für die Seele brauche, schäume ich noch etwas warme Mandelmilch auf (Kuh- und Sojamilch heben die Wirkung von Kakao auf und sollten daher vermieden werden) und rühre sie unter meinen Kakao. Im Wasserbad nehme ich ihn mit in mein Zimmer, in das sich nun der Duft von Mama Kakao verströmt und meine Vorfreude auf die Verbindung mit ihrer Medizin wachsen lässt.

Inspiration

In der christlich patriarchalen Tradition ging es bei all der Freude über das wiedergeborene Licht während der Feiern um die Sonnenwende um den Sieg des Lichtes über die Finsternis. In diesem linearen Denken folgt auf den Tag die Nacht, auf den Sommer der Winter, auf die Arbeit das Vergnügen. Im matrifokularen Denken liegt die Nacht gefühlsmäßig vor dem Tag, bringt der Winter den Sommer, folgen auf Ruhezeiten aktive Zeiten.

Die alten Mutter-Triaden kannten dieses Prinzip. Demnach entsteht Leben, wenn Nyx (Dunkelheit) mit Gaia (Erde) und Thethys (Urmeer) zusammenwirken. Hier wird das Zusammenspiel der Schöpfungskräfte sichtbar. Die fließende und die erdige Göttin benötigen viel Ruhe und Dunkelheit. Diese Dunkelheit, aus der alles hervorgeht, war bereits vor allem da. Im Universum ist es dunkel, die Saat keimt in der dunklen Erde, Menschen und Tiere wachsen im dunklen Schoß ihrer Mütter heran.

In der heutigen Zeit ist die Wahrnehmung für die spirituelle Besonderheit der Dunkelheit mehr und mehr verloren gegangen. Viele Menschen möchten dieser Düsternis im November und Dezember möglichst entfliehen und Schmerz, Einsamkeit und Trauer aus ihrem Leben verbannen. Ganze Lichtermeere an Häusern und in Vorgärten zeugen um diese Zeit davon. Es ist uns kaum mehr möglich, bewusst in die Dunkelheit zu gehen. Wenn wir diese Zeit jedoch nutzen, um bewusst in diese Qualität einzutauchen, sind wir für die dunkle und kältere Zeit gewappnet und können Kraft aus dieser Finsternis und Ruhe gewinnen.

Du kennst sicher das Märchen ‚Frau Holle‘, in dem die beiden Schwestern unterschiedlich belohnt werden. Die Fleißige wird zur Goldmarie, die Faule zur Pechmarie. Ich bin den Brüdern Grimm sehr dankbar dafür, dass sie diese Märchen gesammelt und aufgeschrieben haben, denn es sind unsere Initiationsgeschichten und sie blieben uns auf diese Weise erhalten. In meinen Begleitungen arbeite ich sehr gern mit ihnen. Die Grimms waren Männer und lebten zur Zeit der Aufklärung. Selbst wenn sie den Anspruch gehabt haben, diese Märchen so aufzuschreiben, wie sie ihnen erzählt wurden, werden sie bereits beim Wiedergeben und spätestens beim Niederschreiben durch das Denken in der Zeit, in der sie lebten, verändert und geprägt sein. Das Märchen von der Frau Holle beschreibt das damalige Frauenbild. Fleiß wird belohnt, Faulheit bestraft und verhöhnt. Doch könnten die beiden Mädchen, ganz ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, nicht auch einfach nur den lichtvollen und den dunklen Aspekt der Marie zum Ausdruck bringen? Ich finde, es lohnt sich immer, in diesen Märchen auch zwischen den Zeilen zu lesen.

Wo Licht (Gold) hinfällt, wirft es Schatten (Pech). Das Licht wird oft als gut, das Dunkle als böse bezeichnet. Und auch in esoterisch-spirituellen Kreisen wird sich immer nur Licht und Liebe gewünscht.

Wer kennt nicht die angenehme Seite eines kühlen, Schatten spendenden Baumes an einem heißen Sommertag? Schatten schützt uns vor dem Verbrennen durch die Sonne. Schatten (und somit auch Dunkelheit), kann auch Geborgenheit und Sicherheit bedeuten. Zur Wintersonnenwende können wir diese Zuschreibungen von dunklen und lichten Qualitäten noch einmal überprüfen. Das Märchen von der Frau Holle ist deshalb für mich DAS Märchen zur Wintersonnenwende und zu den Rauhnächten.

Ich reise bereits seit einigen Jahren zur Wintersonnenwende in den Schoß der ERDMUTTER. Im letzten Jahr saß diese an einem Feuer und rührte meine Lebenssuppe. Sie lud mich zu sich ans Feuer ein und bat mich, mein Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen und all das, was ich in diesem Jahr erlebt hatte, in ihren Topf im Feuer zu geben. Ich rührte solange alles hinein, bis mir nichts mehr einfiel und dann lud sie mich ein, meine Suppe zu „würzen“. Das tat ich mit Freude. Mir kamen so viele Dinge, die ich in den Topf warf. Auch die Erdmutter gab noch einige gute Zutaten dazu. Ich rührte und rührte. Es duftete köstlich. Als alles auf den Weg geschickt war, löffelte ich die Suppe genüsslich aus. Sie schmeckte köstlich, denn sie nährte und wärmte mich. Sie gab mir Kraft, Vertrauen, Zuversicht, Lebendigkeit, Leichtigkeit, Verbundenheit, Geborgenheit … Ich verweilte noch einen Augenblick – schweigend und tief verbunden mit der Erdmutter – am Feuer und lauschte den Klängen meiner Herzensmelodie, die ich erst leise und dann immer lauter vernahm. Voller Dankbarkeit und tiefer Verbundenheit verabschiedete ich mich mit einer dankbaren Umarmung von ihr und kehrte ins Hier und Jetzt zurück.

Wenn du magst, kannst du in meiner Live-Zeremonie am 21.12.22 an der schamanischen Reise in den Schoß der Erdmutter teilnehmen. Wir werden am Abend des Wintersonnenwendtages symbolisch alle Lichter in unseren Räumen löschen und uns noch einmal ganz bewusst mit der Dunkelheit verbinden, bevor wir das neue Licht begrüßen.

Jetzt möchte ich dich zu einer geführten Meditation in das Reich der Frau HOLLE einladen. Wenn du magst, lausche, während du deinen Kakao achtsam trinkst, dem Lied „Kiss the earth“ von Ajeet – Wenn du deinen Kakao achtsam getrunken hast, teste die Lautstärke, sodass die geführte Reise für dich angenehm ist. Lösche alle Lichter und mache es dir mit einer Decke auf deiner Unterlage bequem. Wenn du magst, lege dir etwas über deine geschlossenen Augen.

 

Diese Reise ist keine schamanische Reise, sondern eine geführte Meditation. Wenn du eine schamanische Reise zur Erdmutter machen möchtest, buche am 21.12.22 meine live-Kakaozeremonie. Du findest die Aufnahme der Zeremonie später auch im Kakaokessel.

Schön, dass du dabei warst. Das Rauhnachtsmärchen von Heide Göttner-Abendroth „Mutter aller Seelen“ fand mich auf Youtube und hat etwas tief in mir berührt. Deshalb möchte ich es gern auch mit dir teilen:

Die heiligen 12 Nächte kamen heran, die Frau Holles Volk die Weihenächte oder Mutternächte nannte. Denn in dieser Zeit ging die Göttin als Mutter der Seelen in allen Landen umher. Es war die Zeit vom 25. Dezember, dem Perchtentag bis zum 6. Januar, dem großen Frau-Holle-Tag. In dieser heiligsten Zeit des Jahres musste alle Arbeit ruhen und auch die Vorbereitungen hatten beendet zu sein.

In Bayern lebte eine alte Frau mit ihrer Sippe. Sie beachtete in der Zeit der Zwölften die Gebote der Göttin genau. Ihr Haus glänzte aufgeräumt und schmuck, das Ackergerät stand in der Scheune, kein Backgerät lag vor dem Herd, kein Flachs hing mehr auf dem Spinnrocken. Es war eine Zeit des Friedens. Ihre letzten Verrichtungen tat die Alte in der Mittennacht, die den heiligen Tagen vorausging. Nach festem Brauch brachte sie die Weihnachtsspeisung dar. Zuerst warf sie Mehl in den Wind und sagte den Spruch: „Wind, ich geb‘ dir das deine, lass‘ du mir das meine.“ Danach warf sie eine Scheibe Brot ins Herdfeuer, das Feuerbrot, und murmelte: „Feuer lass‘ dir‘s schmecken, tu uns nichts anstecken.“ Darauf schritt sie zum Brunnen vor dem Haus, ließ etwas Salz und ein paar Brotkumen hineinfallen und raunte: „Brunnen, nimm die Speis‘ von mir, schenk‘ gutes Wasser uns dafür.“ Der Gang führte sie zuletzt zu ihrem Acker, wo sie Körner und Kräuterwurzel vergrub und die leisen Worte sprach: „Erde, nimm die Körnerlein, lass‘ das Jahr recht fruchtbar sein.“ Nachdem sie auf diese Weise die vier Elemente gefüttert und geehrt hatte, machte sie sich daran, die Pflanzen und Tiere zu speisen. Sie nahm den Weg in ihren verschneiten Garten, umarmte alle Bäume und streute ihnen Löffel voll Hafermus hin. „Bäume esst“, sagte sie zu ihnen und tat das selbe mit ihren Gemüsebeeten. Im Stall steckte sie ihrem Stier und ihrer Kuh Brot, auf das sie Salz und Kräuter gestreut hatte, ins Maul. Dann streichelte sie die Kuh mit der Lebensrute der Holle, die sie aus immergrünen Zweigen gebunden hatte und wünschte ihr Gesundheit, ein schönes Kalb und viel Milch im kommenden Jahr. Zuletzt stellte sie den Gabentisch für die Seelen in den Schnee. Gleich vor dem Holzschober hinterm Haus, deckte sie weißes Leinen darüber und stellte Kuchen, Apfelmus, Most und dampfende Schmalznudeln darauf. Sie sollten ihre liebste Speise finden, wenn sie mit der Frau Percht vorüberzögen. Dann trat sie ins Haus zurück. Wenn die Göttin mit den Ahnenseelen, die nun zu den Seelchen ungeborener Kinder geworden waren, hier vorüberziehen würde, durfte niemand ihr nachschauen und nachlauschen. Niemand sollte sie mit unziemlicher Neugier belästigen. Geheimnisvoll war dieser Umzug, denn die hohe Frau bereitete mit ihm die Wiedergeburt bei den Menschen vor. 

Die älteste Enkelin der Sippenfrau, ein kluges Mädchen, wurde jedoch sehr von der Versuchung geplagt, die Göttin einmal zu erblicken. So schlich sie aus dem Haus zum Heuschober hinüber, versteckte sich darin und lugte nach dem festlichen Tisch. Sie harrte ungeduldig, was sich nun begeben wollte und trat von einem Fuß auf den anderen. Die Nacht war soeben noch finster gewesen, doch auf einmal wurde sie hell. Die volle Mondin stieg herauf und goss ihr Licht über Feld und Wald. Die Sterne kehrten aus dem Wolkenschleier wieder und funkelten immer klarer. Der Schnee begann im nächtlichen Leuchten zu glänzen und nahm der Erde alles Schwere. Weiß schwebte es im offenen Himmel. Über dem Gabentisch bogen sich glitzernd wie Glas, die Zweige einer vom Frost vereisten Birke. Staunend nahm das Mädchen es wahr. Sie staunte und harrte. Auf einmal vernahm sie ein feines Singen von winzigen Stimmen und eine seltsame Musik. Sie lauschte gespannt und sah, wie die Schar der Seelchen über einen weißen Hügel herabkam, gerade als ob sie soeben von den Sternen hernieder gestiegen wären. Klein waren sie, wie ganz junge Kinder. Sie trippelten durch den weißen Schnee. Ihnen voran ging Frau Holle mit der weißen Haube. Sie glänzte selbst wie der Schnee im Mondenschein. Und die Seelchen hingen ihr an, trippelten um sie herum und schlüpften unter ihren wallenden Mantel, wie die Küken unter die Fittiche der Glucke. Als sie näher kamen, sah das Mädchen, dass sie zarte Instrumente in den Händen hielten. Damit machten sie die engelhafte Musik zu ihrem Gesang. Dieser betörte die Sinne des Mädchens, sie fühlte Wärme in ihr Herz und ihre Wangen strömen. Die kleinen huschten ums Haus und lugten zu den Fenstern hinein, ob sich hier wohl eine künftige Mutter fände. Auch Frau Holle hatte einen Blick durch‘s Fenster geworfen. Dann wandte sie sich dem Tisch zu, hob den Krug und trank. Nachdenklich setzte sie ihn wieder ab und sprach:

„Ich sehe in dieser Nacht zwei Lichtlein, die sind zu viel, also blase ich sie aus.“ Das Mädchen fühlte plötzlich einen kalten Anhauch im Gesicht. Sofort erlosch der helle Schein der Mondin, Dunkelheit stülpte sich über sie wie ein schwarzer Sack. Das liebliche Tönen verklang in der Ferne, wie es gekommen war. Erschrocken stieß sie die Holztür auf und sprang aus dem Schober, tappte weinend zum Haus zurück. Sie tastete sich in die Stube und suchte das Licht des Feuers im Herd. Doch sie spürte nur dessen Hitze, den Flammenschein sah sie nicht. In ihre eigene Dunkelheit war sie gestürzt und blieb in dieser Lichtlosigkeit gefangen, weil sie das Geheimnis der Göttin nicht geachtet hatte. Da half nun kein Klagen und Weinen.

Auch kein Kraut und keine Salbe ihrer weisen Großmutter brachte das Augenlicht zurück. Mit Blindheit war sie geschlagen, gerade zu jener Zeit, wenn die Göttin das Licht wieder bringt. Die ganze Sippe trauerte mit ihr, doch die alte Frau begann behutsam, ihre Enkelin mit den Händen sehen zu lehren. Als die heilige Zeit vorüber war, saß sie mit der Großmutter am Spinnrad, brach den Flachs, hechelte ihn und drehte manchmal auch selbst den Faden. Doch sie saß steif und verstockt, denn ihre junge Seele war eingefroren vom bitteren Gram. Erst im Frühling, die Vögel sangen und der Duft der Blumen im Garten wehte, taute das Gemüt des Mädchens wieder auf. Sie folgte den Tönen und Gerüchen und begann nun auch, mit den anderen Sinnen zu sehen. Sie redete mit Pflanzen und Tieren und diese antworteten ihr, wenn sie auf Antwort lauschte. Als die Tage wieder kürzer und die Nächte länger wurden, befragte sie die Großmutter beim Spinnen nach den Geheimnissen der Natur und diese lehrte die Enkelin alles, was sie wusste.

Endlich begehrte die junge Frau auch über das Wesen der Göttin mehr zu erfahren. Während es draußen wieder Winter wurde und das Land einschneite, erzählte die gute Alte jede Kunde, die sie vom Wirken der Frau Holle hatte. Sie nannte sie Frühlingsbringerin, Liebesgöttin und Allschenkerin. Sie nannte sie Frau Tödin, Schicksalsspinnerin, Mutter der Seelen. Sie nannte sie Heilrätin, Allhelferin und Schöpferin der Völker. Und sie lehrte die Enkelin, dass sie als dreifaltige Göttin die drei Regionen der Welt regiere: den Himmel, die Erde und die Unterwelt. Das Mädchen lauschte und sah im Geiste alle Erscheinungen der Göttin. Ihre Seele wurde immer klarer und heller, als hätten sich zwei innere Augen geöffnet. So rundete sich das Jahr und wieder war es die Zeit der heiligen Zwölften.

Als das Mädchen nachts auf ihrem Lager ruhte und über ihr neues Wissen nachsann, hörte sie plötzlich, wie die beiden Tiere im Kuhstall unter ihrer Kammer zu sprechen begannen. Das konnten sie in dieser Zeit. „Du“, sagte der Stier zur Kuh „weißt du schon, dass Frau Holle der Blinden verzeihen will? „Du“, sagte die Kuh zum Stier „weißt du schon, dass Frau Holle sie wieder sehend machen will?“ Der Stier wetzte die Hörner am Krippenholz und fragte: „Wie soll das aber geschehen?“ Da antwortete die Kuh: „Es soll so geschehen wie im letzten Jahr.“ Aufgeregt berichtete das Mädchen am anderen Morgen der Großmutter, was die Tiere miteinander gesprochen hatten. Da nahm die Sippenfrau die Enkelin bei der Hand und führte sie hinaus in den Schnee. Dort richteten sie zusammen den Gabentisch für die Frau Holle und die Seelchen her. Sie deckten die kleine Tafel unter der Birke so festlich wie im letzten Jahr. Dem Mädchen flossen Tränen der Reue auf die toten Augen. Sie tropften auf das weiße Leinen und noch immer weinte sie, als sie schon wartend im Holzschober stand. Plötzlich hörte sie das feine Klingen und Singen. Es kam näher und eine gütige Stimme fragte dicht über ihr: „Die Mondin scheint. Wer klagt, wer weint?“ „Ach“, seufzte das Mädchen. „Ich wollte ein Geheimnis der Göttin mit eigenen Augen sehen. Da verlor ich das Licht aller Dinge.“ Wieder vernahm sie die Stimme über sich. „Das ist wohl wahr. Vor einem Jahr habe ich über dieser Stelle zwei Augen gelöscht und dafür zwei innere Lichter angezündet. Jetzt will ich die Blindheit von dir nehmen, von nun an hast du das doppelte Gesicht.“ Wieder blies sie dem Mädchen in die Augen. Da konnte dieses auf einmal die Sterne über sich erkennen und das Licht der vollen Mondin. Es sah den Glanz des Schnees und vor sich den Gabentisch unter der Birke. Frau Holle war mit den Seelchen längst über die Hügel weitergezogen.

Von Ferne wehte es noch wie Saitenspiel. So geschah das Wunder an dem Mädchen. Wenn sie vorher mit ihren Augen die Dinge nur von außen sehen konnte, so blickte sie jetzt auch ins Innere hinein. Sie hatte zu ihren gewöhnlichen Augen noch das zweite Gesicht bekommen. Wenige Zeit später verließ sie das Haus ihrer Muttersippe und suchte die Göttin auf. Sie wurde eine der Holden, eine Priesterin der Frau Holle.


Mehr über mich und mein Wirken findest du hier:

www.frauenauszeit.com

Instagram: @ilka.derl